Fressen - Ja! Aber wen?
Dies waren die Beiträge des Künstlers zu diesem Mailart-Projekt
Inhalt
Stets dafür
stets dafür
und zugleich dagegen
diese würde ich
als erste fressen
leere Worte
schmecken schal
trotzdem würd' ich gern
die Sprecher fressen
wer redet
ohne auch zu hören
auch an diesen
würde ich probieren
wer anderes kritisiert,
ohne eigenes zu weisen,
auch diesen
würde ich zerbeißen
doch zu diesen
großen Beißetaten
fehlt mir der Hunger:
habe ich doch
all die dummen Worte
so sehr satt
und auch die,
welche diese
von sich geben.
Besteigung eines Pflaumenbaums
Frucht -1)
Meinem Zahn
gibt sie
sich nicht
ohne Tun
Aber erreichbar
ist sie
schon irgendwie
Dem ersten Biß
so nah
Komm doch
ein Bißchen
näher
Du fragst
Du fragst,
warum ich
so verletzt bin.
Dabei hängt Dir
noch
mein Weh
an Zahne.
Ich gehe
Mitten in einem ihrer endlosen Sätze
merkte ich: sie frißt mich, ohne es zu wollen.
Sie frißt an meiner Freiheit,
meinem Wesen, meinem Leben.
Ich kann nicht sagen, daß ich gelitten habe.
Ihr Anspruch, ihre Einverleibung, ihre Bedrängung
ist mir auch Genuß gewesen.
Und doch merkte ich, wenn ich alleine war:
wieder ging ein Stück von mir verloren.
Immer wieder versuchte ich, zu mir zu kommen.
Und immer wieder versuchte sie, mich zu sich zu holen.
Da wurde mir klar, wie sinnlos
unser beider Tun war -
und trotzden konnte ich mich nicht lösen.
Das Erkennen wurde stärker
und ich erkannte mit großem Schmerz.
Da wandte ich mich ab
und zögerte noch kurz.
Doch es wuchs ein Wille in mir,
der war so stark, daß ich ging und ging
…. und gehe noch.
Das große Fressen
Das große Fressen
hat begonnen
schon längst.
Große Hast entsteht,
denn jetzt beginnt
der Kampf um
die letzten unverbrauchten Reste
dieser Erde.
Der Brief
Wut gehabt
Brief geschrieben
Marke geklebt -
eingeworfen
gestempelt, sortiert,
in Sack geworfen -
ausgeschüttet
Briefträger
zum Haus gelaufen -
Hund beisst
Werwolf
Werwolf
ist bekannt,
Frage
ist nur,
Weropfer
Wolf und Schaf
Wer frißt wen?
hat das Schaf gefragt.
Wie es auch sei,
Du bist herzlich
eingeladen
hat der Wolf
geantwortet.
Krebs und Muschel
Wenn sich die Muschel
frei im Meer bewegt
oder sich treiben lässt,
dann öffnet sie manchmal
ihre schützende Schale
Manchmal weiter
manchmal nur ein wenig.
Die Schliessung
bleibt jedoch bestehen,
sobald ein Krebs
auch nur
in ihre Nähe kommt.
Denn der Krebs
kommt ganz dicht
an sie heran
und stellt dann
einen seiner Füße
an ihren geschlossenen Spalt.
Und wartet dann.
Und wartet.
Und wartet.
Und sobald sie
ihre Schale
auch nur ein wenig öffnet,
da schiebt er seinen Fuß
so weit es geht
in ihren Spalt hinein.
Erst ein wenig -
dann ein wenig mehr,
dann ein wenig mehr,
dann ein wenig mehr.
Und schließlich
kriecht er
tiefer,
immer tiefer
in ihre Behausung hinein
und nimmt sich alles,
was er findet darin.
Darauf wartet er.
© Ralf Rabemann
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1)
aus Rabemanns "Entgegnungen und Begegnungen"