Dies ist eine alte Version des Dokuments!


Gestern und Heute


Dicht und locker

Nicht nur bin ich Dichter,

sondern dichter bin ich auch -

dichter, dichter als all das Gezücht,

das so wenig dicht, so wenig fest

uns als scheinbarer Wohlstand umstellt

und so locker lockend wenig dicht

vielen noch zu wenig erscheint.

Denn in genau dieses hinein

lockt uns das drohend Gerücht

das uns recht bald alles zerbricht,

wenn man nicht genauso schlicht

wie es wurde einstmals gewählt

sich an Schönes, Neues nur hält.

Und so wagen wir uns ohne Licht

immer weiter locker ins Dunkle hinaus -

hinaus in die Leere der Nacht,

die nichts als nur dieses enthält,

was zahlreich die Neuzeit gebracht

und den Wahn, das nur dieses

uns noch am Leben erhält.

So schrieb ich dieses Gedicht

von dem ich nicht weiß

ob es in dieser lockeren Welt

so sehre dicht noch einem gefällt.



Dichtersein

Dichter will ich sein -

nicht so weit,

so weit wie all die,

die da meinen zu sein

so viel weiter als ich -

denn nur meinen,

weit zu sein,

das will ich nicht.



Dichter will ich sein

nicht so locker,

so locker wie all die,

die da meinen

so sehr locker zu sein,

so viel lockerer als ich -

denn nur meinen,

locker zu sein,

das will ich nicht.



Dichter will ich sein,

nicht so frei,

so frei wie all die,

die da meinen,

so viel freier zu sein,

so viel freier als ich -

denn nur meinen,

frei zu sein,

das will ich nicht.



Hohelied der Gegenwart

Durch Schicksals Fug

in Gänge dieser Zeit geraten

schwimmschwebe ich beileibe

in meiner trüben heutig Brüh'

wehrlos kraftlos treibend dahin -

darin den meisten andern gleich,

die ähnlich Gleiches hier treiben.



Halb Muss wird es Genuss,

wie bei vielen neben mir,

denn Übles ahnend weiß keiner

oder will es nicht wissen

welche dieser Qualen

die ersten Wahren waren -

zumal man oft denkt,

dass im scheinbaren Viel

üble Gerüche gar reichlich

den wahren Sinn uns vertreiben -

hinweg vom wahren eigen Sinn

auf dieser ständig neu uns

schlechter werdend Welt,

die wir gewählt wie sie ist

und warum keiner mehr weiß.



Dennoch spürte ich gleich

diesen Flußes ganz eigenes Weich,

indem ich - als wäre ich mit ihm,

dem Träger dies allen, schon eins -

mich diesem find hörig, gehörig und gleich

und zum andern mir all das schwebend

um herum Weich erfahre als dicht

und zugleich bebend erlebe

das voll und ganz mir andere Sein

gegenüber dem einen nur meinem,

welches dafür mir ging für ewig dahin.



Genau dort, wo mir ich mir dann

in diesem Laufe neue Lücken gewann

scheinen noch jetzt solche zu sein,

doch sind diese nicht wirklich,

wie mir sie schienen zu sein,

wobei ich noch suche

nach meinem in Allem -

was immer das sei

als gälte dies jedem,

inmitten im Schweben

in seinem dahintreibenden Reich,

ständig neu Weiches zu bilden

und darin ständig neu Orte

statt das eine letzte Weichen

in diesem zu leben -

hin zum Finden eigener Reiche,

jenseits von all diesem

üblen, stinkenden Treiben.



Es fühlen nicht alle

berufen sich gleich,

sich wahre Orte zu gründen

an eigner werdend Wegenheit

in dieser großen, falschen Ganzheit,

die dann in diesem Fliessen der Zeit,

dem ersten Gedanken folgend

einzig nur sind zum Kampfe bereit,

um nicht abseits von ihm,

diesem Fliessen der Zeit,

als eben seiend bereit,

um so mehr von ihm erfasst

bis dann umschlungen zu werden,

zum scheinbaren Wachsen

neuer Seiensgestalt

in dieser unseren Welt,

die fast allen gefällt.



So seh ich nur halb

auf diesen meinen Ort,

während all meine Früchte,

die dringlich ich trage,

weiter ihrer Ernte sehnen

und ich sehe um mich herum

all die sich Gebenden,

all die Treibenden,

all die Getriebenen

in dieser meinen Zeit,

die darin sind treibend

wie ich.



Und sehe deren Ungelebtes,

all das Grossgescheite

all die Fülle der Leere

wie auch bei mir,

so werden selbst Gelehrte

immer und ständig geleert

damit sie nicht unten

in den niedersten Sümpfen

dieses grossen Treibens

aufgedunsen

genau dort schwebend bleiben,

wo deren so viel mehr noch

von eben jenen heimisch wären,

die jetzt drängen voran

ins Oberwasser dieser kläglichen Brüh,

in der wir treibend sind.



In einer Brüh'

die keiner will

und die dennoch jeden will halten,

oder alle will treiben

mit all den anderen Leichen,

jeden die Kräfte ebenso rauben.



Dennoch nicht ermüdend

erstreb ich schwebend,

mitten unter ebendiesen

viele neue Wege mir,

Orte zu bereisen

und mich neu zu finden dort

und suche Freiheit,

die mir nicht ist -

denn darin kann jene nur sein

Lüge und Schein.



Und wieder,

immer wieder noch

und gerne auch und neu,

gebe täglich ich

ins Hallen meiner Worte

mein blassendes Sein

als eines dieser Leben auf Erden

in genau diesen Zeiten

und finde mich

in eben diesem Fluß

mich fügend voll Widerstand

und hol mir mühsam mehr

an gutem Selbst zurück,

indem ich mich neu

und neuer erfind

alleine aus mir.



Daraus bin ich, daraus werd ich

langsam, mühsam, stetig anders wieder -

so viel anders, als ich jemals gedacht

und ward nun wieder und wieder gemacht

weitab vom Fluss der heutigen Zeit.



Ganz anders noch, als folgend nur

könnt ich jetzt mich finden dort -

so hoffe ich, weils Hoffnung gibt -

so völlig gegen jede Erfahrung,

indem ich mich geb

entgegen üblicher Weise,

nicht in ein weniger Sein,

sondern mich erregend

an diesem Fluße der Zeit,

mit dem fast alle sind einig

oder dieses nur scheinen

oder dieses noch werden,

mit all seinen Resten,

Schatten, Samen, Keimen

alten, wahren Lebens

und auch vieler Gifte voll,

die jetzt auch zu Altem treten,

als wären sie schon ewig eins -

ähnlich da zur neuen Welt,

der uns jetzt realen,

wo das Leben schon

ebenso sterbend wie tötend

zagend sich streckt

in seinem heimlichen Sterben,

soweit man es ahnt,

und man es dennoch ständig neu

will erwechseln zum Besser-

bis es dann irgendwann

als Ganzes für immer verzagt.



Es bleibt da ein Sehnen

als wär dieses Fliesssen der Zeit

ein neuer Gang der alten Kräfte,

und verbunden damit ein neuer Menschen

und neue Hoffnung auch -

gerade, als wäre jeder neue Gang der Zeit

ganz frei vom letzten Gehen

und so frei vom Ist und Sein,

welches so sehr willig wollend jetzt

sich dem letzten Ende weiht?



Und indem so vieler Leben

verwechselt und gewechselt wird

und lachend ungelebt vergeht

zum Einem oder Keinen

oder zum kranken Sein

weitab vom Ursprung des Seins,

so wähle kein anderen Wege

wissend noch vom Anbeginn

den einen wahren Weg.



So wäre Sein und Wandeln

eine Sicht von vielen nur,

wie auch edles Sein und Nicht.

und wie auch das Mutieren

Erfahrung nur kann sein,

weil letztlich wirklich

nichts so wirklich ist,

wie alles wirkend uns scheint,

weil es auch so ist,

daß man mit Schrecken sieht,

wieviel man erkennt,

wenn man manches nicht sieht

wie jene, die jenes nur sehn,

wie es einem will scheinen

aus seiner eigenen Sicht.



So folgt der eignen Wahrheit

Bedingtheit Kramerei

und deren ganze Erscheinung,

die an sich ist wirkend

mit all ihrer puren Gewalt -

diese Welt gewünschten Seins,

die jedem ist anders

und Schöpfung sich nennt,

weil die sich täglich

an sich selber erschöpft

aus unserem Sein,

ohne dass sie je

zur Neige kann gehn.

Die ist wahrlich in sich

Summe aller Wirklichkeiten,

wie sie sich im Da-Sein, Dort-Sein,

Teilhabe oder im Ganzen

jedem gibt und jedem wird geben,

solange man sich dieser ergibt

als Licht oder als Nicht.



Und ob nun dieses

oder auch nicht

und wie auch immer bereit

oder auch nicht,

und wie man auch immer sich rüstet

oder diese tut nicht,

und wie in sich Besehenes

und sich Besehendes

zum Sehen bereitet ist

oder auch nicht,

oder wie man Seiendes zum Sein

schlechthin bereiten lässt

oder auch nicht

oder doch –

so ist es und so wird es sein,

denn gerade da ist es

in gerade dieser einen Weise,

als wäre gerade dieses

mir und allem mir Seienden

alles in solcher Weise gemacht

und alles bewirkt

und ständig gebildet

zu dieser einen immer neuen Gestalt,

die ich und alles immer schon war

und ständig neu wird

oder sollt sein oder soll werden,

weshalb ich aus mir heraus

und in mich hinein

ständig und immer wieder

von neuem mich bilde,

mir Neues gebärdend

und neu mich gebärend aus mir

zum einen ständig neuen Sein

in ständiger Erwandlung

aktiver und passiver Erleidung,

von Zeit und Ort des Seins,

das aller ist,

und wenn ich freudig

erkenne und anerkenne

diesen einen allereinen letzten,

diesen einen halbwegs guten Weg

weitab von dem, was ist

und davon, was uns allen soll sein

die wir einst waren

in dieser und voriger Zeit,

und die wir noch werden

in noch kommenden Zeit,

so uns dies ist gegeben

und dort wir noch werden

zu einem weiteren Sein.



So bleibe einem jeden

sein ständig wandelndes Ich

oder wer oder was ich soll sein,

oder will sein oder werde

oder auch bin als der,

der durch mich soll sein

dieser Zeit,

die da soll sein durch mich,

und in der ich jetzt bin,

die vielleicht noch nicht

oder nicht mehr

bereit ist für das,

was durch dieses könnt sein.



So gilt es wohl auch

für jeden im Fliessen der Zeit,

in moderner Gegenwartsart

ebengleich wie mir,

der ich wie gesagt

mir in ihr Einrede zu treiben

neben all diesen wässrig Bleichen,

neben denen ich suche

flecklos zu treiben

und dieses bleib nicht

und mir herdenke Wohlgeruch

wie all die andern auch,

soweit ich heran an mich kann

und um die meinen

und meide jede Rührung –

wie sie auch meiden die andern,

denn manch anderer

hält sie schon lange

geschlossen - die Augen -,

als wäre er gegangen schon

und denkt jetzt erstmals

nach und nach im Danach.



Sah ich manche dann

im Flusse erbleichen,

da brannten auch mir

die trüben Augen,

aber dennoch bleibe ich

und treibe ich weiter

und treibe immer weiter dort,

wo ich noch bleibe,

bis ich dann geh irgendwann

oder ich finde dahin,

wer ich sollt sein

und wo ich der ich bin

kann einstmals noch werden.



Fernbedienung

Es gab eine Zeit,

da wurden Gerätschaften eingerichtet

und ihrer Einrichtung

und Einstellung gemäss genutzt.



Irgendwann wandelte sich dies,

denn deren neue Generationen

dienten irgendwann weniger dem Menschen,

als dass sie bedient wurden von ihm.



Und so lebt der Mensch heute in seinem Räumen

zwischen seinen vielen Geräten

in den Illusionen der Vergangenheit,

dass er sich ferne Geräte dienlich macht,

aber es zeugt schon das Wort seiner Sprache für dies

mehr von dieser schönen neuen Welt und Wirklichkeit,

als es sein Verstehen noch zu fassen vermag,

indem das Wort „Fernbedienung“

nur so verstanden werden kann,

dass damit gesteuerte Geräte

aus der Ferne bedient werden

und nicht so, daß diese dienen ihm.



So dienen nicht diese Geräte

hilfreich dem Menschen,

sondern vielmehr ist der Mensch

als Diener dieser Geräte zu sehn.



Dies ist etwas Entscheidendes,

denn hier ist der Mensch

längst nicht mehr der Mensch,

der er meint, noch heute zu sein

und gerät zur als menschliche Schnittstelle

einer selbsterschaffenen Funktionswelt

jetzt immer mehr

zu einem diese Bedienender -

und damit ist er auch immer mehr

ein an diese Anzupassender,

und damit auch immer mehr

ein von ihr zu Steuernder

und damit auch ein immer mehr

ein als Funktion zu Perfektionierender

und damit auch ein immer mehr

ein von ihnen zu Verbrauchender -

und dies jeweils und immer mehr

bis hin zu deren jeweils neuen Möglichkeiten

und das hin bis zur letzten Konsequenz.



Unfassbar

Man kann nichts

wirklich besser machen

als es ist aus sich.



Vermeintlich schöner,

besser scheinend,

da geht immer was

in unsrer Zeit -

weit, weit sogar

ins Lächerliche hinein,

ganz tief hinein.



Und das

so weit, so tief,

dass es in seiner Peinlichkeit

schon nicht mehr messbar

und daher an sich

nicht fassbar ist.



Gegenwart

Verloren scheine ich

auf diesen Wegen,

die mich entzieh'n

den hiesig Welten.

Doch scheinbar nur

nehme ich nicht teil,

denn mir bringt

ein helles Sein

ein leicht Dabei

in allen Zeiten -

die lass ich

weiter treiben,

teilweis unberührt.



Erfolg

Dass die heutige Zeit

von einer Art ist,

dass in ihr das Grosse

nicht in seiner Grösse

sichtbar wird,

hat für das Grosse

insofern Vorteile,

als das Kleine dem Grossen

nicht an ihm klebend

die Wege erschwert.



Zwischen Gestern und Heut

Zwischen gestern und dort,

zwischen morgen und drüben,

da ist im heute ein hier -

dort, wo Seelen sich trügen,

sie könnten sich borgen

alles Jetzt als ein Sein.


Doch kaum in den Händen

als ein Sicher und Fest,

als ein Wertvoll und Rein,

wird dieses sich wenden

und strebt wieder hinfort

ins einzig Eine hinein.



Schrittweise

Gestern

stand ich

am Abgrund,

aber heute

packe ichs an

und wenn

alles gut geht,

bin ich vielleicht

schon morgen

einen Schritt

weiter.



Verwebt

Um uns webt

sich das Web

um uns herum

und darin, darin

ist alles verebbt

und alles verlinkt,

zu Daten verdingst

und darin gefangen.



Tagweis

Das Munkel der Nacht

heranbricht so drang

als wäre kein Morgen

und lagert sodann

als schwebendes Schwarz

Stunden um Stunden -

so lang, bis dann

neusonniges Licht

zur Erde sich weitet

und langsam herumen

hinein, hinein

ins tägliche uns Gegen

aufs Neue sich zeitet.



Zeitlichkeit

Saraspe, Saraspe –

das Leben mir entgleitet.

Denn der Geist, der Geist,

und seine EIN Idee - die weitet.


Die weitet sich so weit,

so weit ins Ganz,

ins Groß, ins Letzt hinein,

wo unser aller Heimat sich

so ganz und voll aufs Neu

immer noch „noch EINEmal“

zu neuem Blühen wagt

zu drängen.


Da sehe ich betagt

wie zögernd sich mein Mut

als ständig Will in neues Müh’n

zum Letzten seiner Kraft

verliert in ungewisse Taten,

so dass des altes Übermutes

letzter kühner Plan

NUR als zarte Frage noch

sich ganz jetzt löst

ins ständige Vielleicht hinein

….

und mit sich nimmt

der trauten Dinge Gänge

und deren Schritt heraus

aus jenem Anvertrauen,

jenem einen, meinem lebend Sein

und meinem vielen Streben -

um dort zu fliehen noch,

genau zu jenem einen Ort,

dem EINEN Uranfang,

der jedem, jedem

sollte doch auf EWIG

ganz der eine seine sein -

als IHM der einzige nur Eine….



Und der doch jetzt nur

so still, so still,

- zu still jetzt schon -

allein nur ruht in sich

als kurze, letzte Kund

des einstig Sein -

jenem einen aller Sein

als aller Teil am großen Einen -

dem SEINEN.



Ralf Rabemann

zurück
Mensch an sich
Ich
Liebe
Wahrnehmen
Orte und Wege
Sein und Werden
Das Eine
Natur
Wortspiele ("Konkrete Poesie")

texte/gedichte/gestern-und-heute.1444010199.txt.gz · Zuletzt geändert: 2015/10/05 03:56 von rabemann
Recent changes RSS feed Mr. Wong Reddit Icio Linkarena del.icio.us Digg StumbleUpon Google Yahoo Driven by DokuWiki